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Günstiger Drucker, teure Tinte
"Ölkännchen-Prinzip" im 21. Jahrhundert
John D. Rockefeller soll Ende des 19. Jahrhunderts den Chinesen Öllämpchen geschenkt haben, um anschließend Öl an sie zu verkaufen. So soll er den Grundstein für sein berühmtes Vermögen gelegt haben. Heute noch versuchen Unternehmen nach dem "Ölkännchen-Prinzip" Gewinn zu machen. Sie verschenken ein Produkt oder verkaufen es unter Wert, um am Verbrauchsmaterial gut zu verdienen. Der Druckermarkt zeigt, wie gut das "Ölkännchen-Prinzip" auch im Computerzeitalter noch funktioniert.
24.04.2006
Tintenstrahldrucker sind oft günstig, die Druckkosten für einige Modelle aber umso höher. Geräte zwischen 30 und 80 Euro decken nicht einmal die Materialkosten. Gewinn machen die Hersteller mit dem Verkauf der Patronen. Derzeit beherrschen vier Unternehmen den Markt für Tintenstrahldrucker: Canon, Epson, Hewlett-Packard und Lexmark.
Mit einer großen Palette an Druckern und mit kurzen Produktzyklen halten sie Einzelhandel und Kundschaft auf Trab. Mindestens einmal pro Jahr wird das komplette Programm ausgetauscht, manche "Low-End-Drucker" werden nur wenige Monate verkauft. Jeder Drucker braucht seine "eigene" Patrone - so gibt es viele verschiedene Tinten in den Verkaufsregalen.
Kombitanks und Druckköpfe
Hewlett-Packard und Lexmark setzen auf integrierte Tintenbehälter, die Druckkopf und Tinte enthalten. Ist der Tank leer, wird auch der Druckkopf ausgetauscht. Farbpatronen wurden lange nur als Kombi-Patronen angeboten, die alle drei Farben enthielten: Cyan, Magenta und Gelb. Bei Canon gab es überwiegend Einzeltanks für jede Farbe, den Druckkopf konnte man separat austauschen. Einzeltanks sind in der Regel günstiger als Kombipatronen. Diese Zuordnung kommt zunehmend ins Wanken. Der Käufer muss sich inzwischen jeden Drucker einzeln anschauen, um das Druckmanagement zu analysieren.
Gibt es Einzeltanks für unterschiedliche Farben, müssen nur leere Farbpatronen gewechselt werden. Jeder Farbvorrat wird so perfekt ausgenutzt. Allerdings verursacht man mit Einzeltanks mehr Müll als mit Kombiprodukten. Die Druckkopf-Patronen von Hewlett-Packard und Lexmark dürfen von Drittanbietern nicht nachgebaut werden. Andere Tintenhersteller sammeln aber Original-Kartuschen, testen den Druckkopf und füllen die Patronen wieder auf. Sie können die Patronen auch mit einem entsprechenden Set selbst auffüllen. Inzwischen gibt es in vielen Städten Tintenshops, die diese Prozedur für Sie übernehmen. Nachteil: Der Druckkopf wird nicht überprüft.
Tintenstand per Chip
Mit aufgefüllten Patronen lassen sich bis zu 50 Prozent der Tintenkosten sparen. Canon hatte den Ruf, teure Drucker zu verkaufen, dafür aber bessere Alternativen zu den ebenfalls teuren Originalpatronen zu ermöglichen. Diese Zeiten sind vorbei. Wie Epson baut inzwischen auch Canon einen Chip in die Druckertanks. Der Chip zählt die Druckvorgänge und berechnet den Füllstand. Der Füllstand ist wichtig: Denn wird die Patrone leer gedruckt, kann der Druckkopf beschädigt werden. Die neue Technik erschwert das Herstellen günstigerer Alternativ-Tinten.
Die Chips und ihre Software sind nicht mehr durch ein Re-Design zu ersetzen, ohne die Rechte der Druckerhersteller zu verletzen. Selbst wenn es gelingt, einen Chip auf die alternativen Patronen zu bringen, so wird dieser nicht die Funktion der Tintenstandsanzeige erfüllen können. Denn die Druckerhersteller haben die Informationen auf ihren Chips codiert. Wird eine alternative Patrone eingelegt, meldet der Druckertreiber auf dem Monitor, dass keine Original-Patrone eingelegt worden ist und die Tintenstandswarnung deaktiviert wird. Der Kunde muss nun selbst aufpassen, dass die Patrone nicht versehentlich leer gedruckt wird.
Öllämpchen und Originalkosten
Die Computerexperten von chip.de testen regelmäßig Tintenstrahldrucker und errechnen Seitenpreise für Text- und Farbfotodruck. Berücksichtigt werden die Kosten für Papier und Tinte. Die Tester verwenden ausschließlich Original-Zubehör. In die Gesamtnote fließt zusätzlich zu den Kosten die Qualität des Ausdrucks, Ergonomie, Ausstattung und Druckgeschwindigkeit ein.
Derzeit (April 2006) steht in der Chip.de-Bestenliste der Canon iP5200 in Verbrauchskosten und Druckqualität ganz oben. Der Drucker war den günstigeren Geräten deutlich überlegen. Allerdings ist für die Pixma-Serie bisher keine alternative Tinte auf dem Markt. Es gibt zwar nachgebaute Patronen, man muss aber den Chip von der Original-Patrone abnehmen und auf die neue aufsetzen. Das ist ebenso auf-wendig wie das manuelle Befüllen der Patrone. Auch für den HP Inkjet 1000 sind wiederbefüllte Patronen nur selten zu bekommen.
Geld und Punkte für Patronen
Häufig drohen Druckerhersteller mit dem Ausschluss sämtlicher Gewährleistungs- und Garantieansprüche, wenn alternative Tinte verwendet wird. Doch dieser Ausschluss ist rechtlich nicht haltbar: War ein Produkt schon beim Kauf mangelhaft, gilt der Gewährleistungsanspruch. Auch bei Garantieansprüchen müsste der Hersteller nachweisen, dass der Schaden durch den Einsatz alternativer Tinte entstanden ist. In diesem Fall können Sie Ansprüche gegenüber dem Hersteller der Ersatztinte geltend machen.
Vor allem bei Tanks von Hewlett-Packard und Lexmark sind die Anbieter aufgefüllter Patronen darauf angewiesen, Original-Tanks zu sammeln. Händler bieten daher oft einen Nachlass auf wiederbefüllte Tanks. Häufig gibt es auch Sammelprogramme, bei denen Prämien oder Geldbeträen zwischen 10 Cent und 1,50 Euro pro Patrone erstattet werden. Solche Programme gibt es beispielsweise von Pelikan, KMP, Mefatech oder GEHA.
von Michael Scheuch
Quelle: ZDF/Wiso